Interview mit Claus Vogel zur Ausrichtung der FDP NaWi
In seiner Bewerbungsrede hatte Claus Vogel, neuer Vorsitzender der örtlichen FDP, betont, in seinem künftigen politischen Wirken auch ungewöhnliche Wege gehen zu wollen. Wie werden die aussehen? Bisher war von den Liberalen in der Doppelgemeinde nicht viel zu hören und zu sehen. Ob sich das ändern wird, erzählt Claus Vogel im Interview mit Susanne Fischer-Bolz.
Herr Vogel, Sie sind jetzt Vorsitzender der FDP Nachrodt-Wiblingwerde. Bisher war von den Liberalen nicht viel zu hören. Wird sich das jetzt ändern? Und wie genau?
Ja, definitiv, es wird eine merkliche Veränderung geben. Unsere Priorität ist es, die Sichtbarkeit und Aktivität der FDP in Nachrodt-Wiblingwerde signifikant zu erhöhen. Leider sind uns als Partei ohne aktives politisches Mandat im Rat die Hände gebunden, zumindest was aktuell die Gestaltung auf kommunalpolitischer Ebene angeht. Im Rückblick war es ein Fehler bei der letzten Kommunalwahl nicht anzutreten – letztendlich hat der damalige Vorstand mehrheitlich diesen Entschluss so getroffen. Bedauerlicherweise war die bis zur Neuwahl des Ortsvorsitzes erfolgte Zusammenarbeit – insbesondere im Vorstand unseres Ortsverbandes – in den letzten 18 Monaten eher von Lethargie geprägt. Das ändern wir nun und werden aktiver: Wir wollen unsere Präsenz insbesondere in den lokalen Medien verstärken, um unsere Positionen und Visionen klarer zu kommunizieren.
Wir werden „liberale Stammtische“ einrichten, um direkt mit den Bürgern und unseren Mitgliedern in Kontakt zu kommen und besser auf ihre Bedürfnisse eingehen zu können. Außerdem planen wir, aktivere Rollen in lokalen Veranstaltungen und Projekten zu übernehmen, um unser Engagement für unsere Gemeinde und deren Belange zu demonstrieren. Uns ist es wichtig, dass die Liberalen als treibende Kraft für positive Veränderungen in Nachrodt-Wiblingwerde wahrgenommen werden.
Tatsächlich hat es ja bei der letzten Sitzung einige Turbulenzen gegeben. Plötzlich hatte die FDP viel mehr Mitglieder als je zuvor. Und bei der Abstimmung wurde die bisherige Vorsitzende abgewählt. Sind denn die vielen neuen Mitglieder jetzt bereits wieder ausgetreten?
Nun gut, jedes Neumitglied bedeutete zunächst „mehr als je zuvor“. Aus Gründen des Datenschutzes kann ich natürlich keine Details dazu preisgeben, aber ein absoluter Großteil unserer Mitglieder ist noch „an Bord“. Es war für uns als neuer Vorstand aber klar, dass die Mitglieder – die auch für mich überraschend – unerwartet und augenscheinlich nicht durch den liberalen Gedanken der FDP getragen – eingetreten sind, auch ebenso schnell die Partei wieder verlassen werden. Ein Parteieintritt wenige Tage vor der Wahl des neuen Ortsvorsitzes und der Austritt in der Woche danach lassen mich und die anderen aktiven Mitglieder doch ein wenig über die Intention schmunzeln. Dies wurde ja auch schon bereits am Abend des Ortsparteitages durch abwertende Zwischenrufe und auch non-verbale Kommunikation schnell deutlich. Auf jeden Fall sind wir auch heute personell weit stärker als in den ganzen Jahren seit unserer Gründung und wir hoffen durch unser künftiges Engagement auf noch weiteren Zuwachs.
Was reizt Sie an der Kommunalpolitik?
Der Reiz der Kommunalpolitik liegt für mich vor allem in der Nähe zu den Menschen und den direkten Gestaltungsmöglichkeiten, die sie bietet. Hier, auf der kommunalen Ebene, kann ich unmittelbar sehen, wie politische Entscheidungen das tägliche Leben der Menschen beeinflussen. Es geht um Themen, die uns alle direkt betreffen: von der Qualität unserer Schulen und Kindergärten über die Verfügbarkeit von Freizeit- und Kulturangeboten bis hin zur Entwicklung lokaler Wirtschaft und der Sicherstellung der Infrastruktur. In der Kommunalpolitik haben wir als FDP die Chance, gemeinsam mit den Bürgern und der Verwaltung aktiv an konstruktiven Lösungen zu arbeiten, die unseren Ort lebenswerter machen. Es ist diese unmittelbare Verbindung, die Möglichkeit, konkret und pragmatisch zu handeln und dabei echte Veränderungen herbeizuführen, die mich besonders anzieht. In der Kommunalpolitik geht es nicht nur um das große Ganze, sondern auch um die kleinen Dinge, die den Alltag der Menschen verbessern. Das macht die Arbeit hier so besonders und wichtig. Die direkte, konstruktive Zusammenarbeit mit der Verwaltung ist für uns als FDP ein antreibender Faktor.
Kann die FDP bei der nächsten Kommunalwahl antreten?
Ja wir können, wir wollen und wir werden gerne antreten. Und wir freuen uns drauf!
Und was möchten Sie den Bürgern sagen, für welche Ziele Sie in der Gemeinde eintreten?
Pragmatische Politik ohne Altlasten. Mit dem Wunsch, frischen Wind in den Rat zu bringen. Dadurch, dass wir sehr heterogen im Sinne von Berufen, Ausbildung und Alter aufgestellt sind, stehen wir als FDP auch für eine Politik mit Sachverstand und Substanz. Unser Fokus wird insbesondere auf die Infrastruktur und der Haushaltspolitik liegen – Themen, die Substanz und besonderes Engagement in unserer Gemeinde benötigen. Aus heutiger Sicht ist es aber schwer zu sagen, was uns in mehr als einem Jahr akut beschäftigen wird. Da läuft zum einen noch viel Wasser durch die Lenne und die geopolitische Situation erlaubt ja auch der Weltpolitik nur ein Steuern auf Sicht. Ich glaube aber, dass wir in NaWi trotz Haushaltslöchern und weittragenden Problemen aber immer noch Gestaltungsspielraum haben.
Wichtig wäre es mir aber, den Hebesatz der Grundsteuer nicht weiter anzuziehen, auch wenn dies ggfs. Einschränkungen an anderer Stelle bedeutet, mit denen man sich vielleicht aber arrangieren kann. Die kommende Kommunalwahl wird uns sicherlich noch genug Raum geben, um gezielt zu Themen Position zu nehmen. Zum Thema „Brücke“ wird es aber sicherlich noch gezielte Fragen geben.
Wenn am nächsten Sonntag wirklich Bundestagswahl wäre, käme die FDP auf vier Prozent. Was macht sie denn in der Koalition falsch und wie kann die Basis helfen?
Leider wird die FDP in der Bundespolitik schlechter wahrgenommen als sie es verdient hätte. Das Verhindern des Schlimmsten (Stichworte Schuldenbremse und Verbrenner-Verbot) und das Erreichen von Steuereinsparungen sind halt nicht so populär wie das Bereisen der Welt oder die Aufgaben eines Verteidigungsministers in der heutigen Zeit. Auch wird die FDP gerne direkt in den Ampel-Topf geworfen, auch wenn sie sich immer wieder erfolgreich gegen viele partei-ideologisch geprägten Vorschläge der Koalitionspartner stellt. In der Ampel macht die FDP aus meiner Sicht einiges richtig, aber auch vieles falsch.
Ich persönlich habe bei der Mitgliederbefragung im Herbst für den Austritt aus der Ampel gestimmt und würde dies auch weiterhin so sehen. Die aktuelle Rolle, die die FDP auf Bundesebene einnimmt, steht ihr nicht wirklich gut. Aber: Vor Ort, auf Kreis- und Landesebene kann die FDP mit sinnvoller, zielgerichteter und pragmatischer Politik trumpfen. Dabei sehe ich die Kernkompetenzen – auch für uns vor Ort – in den Wurzeln der FDP: Wirtschafts-, Infrastruktur- und (Aus-)Bildungspolitik.
Waren im August 2023 noch 50 Prozent dafür, dass der Besitz und der Verbrauch geringer Mengen Cannabis erlaubt sein soll (dagegen: 45 Prozent), so ist inzwischen eine Mehrheit von 52 Prozent gegen eine solche Liberalisierung, die jetzt aber gilt. Was denken Sie persönlich? Wird der Dorfplatz in Wiblingwerde nun zur Kifferzone? Oder der Parkplatz am Holensiepen?
Vorweg: Ich stehe einer Legalisierung von Cannabis neutral gegenüber und glaube, dass das Thema recht schnell aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden wird. Die gesundheitlichen Risiken werden aber meiner Meinung nach durch die neue Gesetzgebung heruntergespielt. Einfach gesagt: Nicht zu kiffen ist immer noch gesünder, als zu kiffen. Ich habe da auch viel mit meinen Töchtern darüber gesprochen, die durch ihr Alter eher Kontakt zu der überwiegend jugendlichen Zielgruppe der Cannabis-Konsumenten haben.
Unser Fazit: Wer vorher konsumierte, kifft jetzt nicht wirklich mehr dadurch, und wer es wollte, wurde bisher nicht ernsthaft durch Gesetze abgeschreckt. Ja, der Zugang zu Cannabis wird wohl leichter und weitestgehend entkriminalisiert. Aber: Sowohl der Dorfplatz als auch der Parkplatz am Holensiepen gehören durch die räumliche Nähe zu Kita, Schulen und Spielplätzen eh zu „No-go-Areas“, bei denen die Ordnungskräfte auch weiterhin durchgreifen können. Ich glaube nicht, dass es da zu Kifferzonen kommen wird. Das wird – meiner Meinung nach – weiterhin mehr im Verborgenen stattfinden. Nachrodt-Wiblingwerde hat viele Augen und nicht jeder will es, dass die Eltern oder Nachbarn über den Cannabis-Konsum Bescheid wissen.
In Nachrodt ist und bleibt das brennende Thema die Lennebrücke, die alte als auch die geplante neue. Sie haben versucht, ein Gespräch mit Christian von Löbbecke zu führen. Warum eigentlich? Was kann die FDP besser als der CDU Generalsekretär, der dies auch versucht hat?
Wir haben nie behauptet, etwas besser zu können – aber vielleicht anders. Ich wollte wirklich vorbehaltlos in die Diskussionen starten – insbesondere, da sich Mitglieder unseres Ortsverbandes dazu schon mehr oder weniger öffentlich dazu geäußert haben.
Aber auch wir sind aber vor verschlossene Türen gerannt und sind an unsere ehemalige Ortsvorsitzende verwiesen worden, welche laut der uns vorliegenden Antwort seitens Herrn von Löbbecke-von Campe schon länger mit Frau von Campe im regen Austausch stehe. Das war für uns dann doch etwas überraschend, zumal der restliche Vorstand und die Ortspartei nicht darüber in Kenntnis gesetzt wurden. Sei´s drum. Wir wollten eine offene Diskussion, um die Beweggründe für die offensichtliche Blockadehaltung der Eigentümer nachvollziehen, um diese vielleicht auch entkräften zu können. Ein kritischer aber sachlicher Post bei Facebook unseres Schatzmeisters Armin Speckmann wurde dann aber als Anlass genommen, unsere Einladung auszuschlagen. Leider.
Auch ich muss sagen, dass meines Erachtens die Fronten in alle Richtungen verhärtet sind. Gewinner kann es keine mehr geben – nur noch Verlierer. Auf der Seite der Familie von Löbbecke-von Campe wird Ansehen und Rückhalt in der Gemeinde verloren gehen. Auf der Seite der Bürger und der Gemeinde werden Zeit und Nerven verloren gehen. Aufseiten Straßen NRW wird noch mehr Geld verloren gehen. Am Schluss wird – so oder so – die geplante Brücke an geplanter Stelle stehen. Die Frage ist nur: wann.
So sind nun mal die Gesetze und die Vorgaben. Natürlich wird die neue Brücke nicht den Charme einer alten Bruchsteinkonstruktion haben; und dass sie höher ist und Lärmschutzwände haben muss, ist die Folge von Gesetzen, die eigentlich die Lebensqualität der Anwohner steigern sollen, indem Hochwasser entgegengewirkt und Lärmbelästigung reduziert wird – aber schlussendlich ist es eine notwendige Infrastrukturmaßnahme an der Schlagader des Lennetals. Da es ja keine umsetzbaren und belastbaren Gegenvorschläge für eine andere Routenführung oder Bauweise gibt, wird es auf die geplante Variante herauslaufen. Vielleicht werden die notwendigen Grundstücke doch noch zu einem verhandelbaren Preis verkauft, bevor diese gerichtlich zum sicherlich geringeren Bodenrichtwert entschädigt werden. Diese Tür steht ja noch eine gewisse Zeit offen. Öffentlicher Druck in diese Richtung kann unsere Situation, also die der Gemeinde und der Bürger, unseres Erachtens nicht schlimmer machen als sie ohnehin schon ist.
Was glauben Sie persönlich: Wie wird es weitergehen mit der Verkehrssituation in Nachrodt?
Meine Hoffnung: Weiterhin – wenn auch eingeschränkte – Nutzbarkeit der alten Brücke bis zum baldigen Neubau. Meine Befürchtung: Erneute Sperrung über Nacht nach einem Unwetter oder einer Überlastung der Brücke durch einen illegalen Schwertransport, wie schon andernorts passiert. Das wäre dann die Katastrophe, bei der dann wirklich alle verlieren würden.